
Ostdeutschland-Förderung: IWH-Ökonom fordert Ende der Himmelsrichtungs-Politik
Pünktlich zum 35. Tag der Deutschen Einheit platzt dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle der Kragen. Der stellvertretende Institutsleiter Oliver Holtemöller fordert ein radikales Umdenken in der Förderpolitik - und das dürfte in Berlin für reichlich Verstimmung sorgen. Seine Botschaft könnte klarer nicht sein: Schluss mit der ewigen Ost-West-Denke, her mit einer Politik, die sich an Fakten orientiert statt an nostalgischen Gefühlen.
Bildung statt Milliarden: Ein unbequemer Vorschlag
"Wirtschaftspolitik sollte sich nach der Sachlage richten, nicht nach der Himmelsrichtung", so Holtemöllers vernichtende Analyse der bisherigen Förderpolitik. Ein Satz, der in den Ohren mancher Politiker wie eine Ohrfeige klingen dürfte. Jahrzehntelang wurden Milliarden in den Osten gepumpt - oft nach dem Gießkannenprinzip, selten mit nachhaltiger Wirkung. Nun kommt ausgerechnet ein ostdeutsches Wirtschaftsinstitut und sagt: Das reicht jetzt.
Der IWH-Vize hat dabei durchaus konkrete Vorstellungen, wo der Hebel anzusetzen wäre. Das Hauptproblem sieht er in den fehlenden dynamischen Marktdienstleistungen in ostdeutschen Ballungsgebieten. Seine Lösung klingt simpel, ist aber politisch brisant: Bildung, Forschung und Innovation müssten gestärkt werden - und zwar auf Landes- und Kommunalebene, nicht durch den Bund.
Die unbequeme Wahrheit über den "Riesenerfolg"
Holtemöller spricht von einem "Riesenerfolg" des wirtschaftlichen Aufholprozesses. Die verfügbaren Einkommen lägen bei über 90 Prozent des Bundesdurchschnitts. Im europäischen Vergleich stehe Ostdeutschland gut da. Doch was bedeutet das wirklich? Nach 35 Jahren deutscher Einheit und geschätzten 2 Billionen Euro Transferleistungen sind wir bei 90 Prozent angelangt. Ein Erfolg? Oder doch eher ein Armutszeugnis für eine verfehlte Förderpolitik?
Die Große Koalition unter Friedrich Merz wird sich warm anziehen müssen. Der Koalitionsvertrag "Verantwortung für Deutschland" verspricht zwar viel, aber ob die neue Regierung den Mut hat, alte Zöpfe abzuschneiden? Die 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Infrastruktur klingen nach dem alten Muster: Geld draufwerfen und hoffen, dass es schon irgendwie hilft.
Zeit für einen Paradigmenwechsel
Was Holtemöller hier fordert, ist nichts weniger als eine Revolution im Denken. Keine Sonderbehandlung mehr aufgrund geografischer Lage, sondern Förderung nach Leistung und Potenzial. Das würde bedeuten, dass strukturschwache Regionen im Westen genauso gefördert werden könnten wie solche im Osten - und umgekehrt prosperierende ostdeutsche Regionen keine Sonderförderung mehr erhielten.
Die Frage ist nur: Wer traut sich, diese heilige Kuh zu schlachten? Die SPD, die traditionell ihre Wählerbasis im Osten hat? Die CDU, die gerade erst mit großen Versprechen die Regierung übernommen hat? Es bleibt spannend zu beobachten, ob die neue Bundesregierung den Mut aufbringt, diese überfällige Debatte zu führen.
Ein Blick in die Zukunft
35 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es höchste Zeit, die Ost-West-Brille abzusetzen. Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen - von der Digitalisierung über den demografischen Wandel bis zur Energiewende. Da können wir es uns schlicht nicht mehr leisten, Fördermittel nach Himmelsrichtung zu verteilen statt nach Zukunftsfähigkeit.
Holtemöllers Vorstoß könnte der Startschuss für eine überfällige Debatte sein. Eine Debatte darüber, wie wir in Zeiten knapper Kassen und wachsender globaler Konkurrenz unsere Ressourcen optimal einsetzen. Die Antwort liegt nicht in Ost oder West, sondern in einer Politik, die sich an Fakten orientiert und Leistung belohnt - egal wo in Deutschland.
Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass dieser Vorschlag ausgerechnet aus Halle kommt. Eine Stadt, die selbst erlebt hat, was es bedeutet, sich neu zu erfinden. Zeit, dass auch die deutsche Förderpolitik diesen Schritt wagt.

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