
Massentourismus am Limit: Cannes zieht die Reißleine bei Kreuzfahrt-Giganten
Die französische Riviera wehrt sich gegen die schwimmenden Städte: Nach jahrelangem Ringen hat die Stadtverwaltung von Cannes nun drastische Maßnahmen gegen den ausufernden Kreuzfahrttourismus beschlossen. Künftig dürfe nur noch ein einziges Großschiff mit mehr als 3.000 Passagieren pro Tag in der malerischen Bucht vor Anker gehen – eine Entscheidung, die die Anzahl solcher Ankünfte von 175 im vergangenen Jahr auf gerade einmal 34 im kommenden Jahr reduzieren werde.
Der Preis des Glamours
Was für ein Kontrast zur schillernden Filmfestival-Metropole! Während Cannes einerseits vom internationalen Jet-Set lebt, ersticke die Stadt andererseits förmlich an den Touristenmassen, die täglich von den schwimmenden Hotels an Land gespült würden. Die neue Obergrenze von maximal 6.000 Kreuzfahrtpassagieren pro Tag sei ein verzweifelter Versuch, die Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen und Lebensqualität wiederherzustellen.
Besonders pikant: Die Stadt verfüge nicht einmal über einen Hafen, der groß genug für diese Ozeanriesen wäre. Die Schiffe müssten etwa 300 Meter vor der Küste ankern, während Heerscharen von Touristen per Fähre an Land gebracht würden – ein logistischer Albtraum, der die ohnehin überlastete Infrastruktur an ihre Grenzen bringe.
Ein Trend, der Schule macht
Cannes folge damit dem Beispiel der Nachbarstadt Nizza, die bereits ähnliche Beschränkungen eingeführt habe. Dort dürften künftig nur noch 65 Kreuzfahrtschiffe pro Jahr anlegen, wobei die maximale Passagierzahl auf 2.500 pro Schiff begrenzt sei. Diese Entwicklung zeige deutlich: Die Zeiten, in denen Küstenstädte bedingungslos jeden schwimmenden Koloss willkommen hießen, seien vorbei.
Bürgermeister David Lisnard versuche die Entscheidung diplomatisch zu verkaufen: Es gehe nicht darum, Kreuzfahrten generell abzulehnen, sondern vielmehr darum, "kleinere, ästhetischere, modernere und umweltfreundlichere Einheiten" zu bevorzugen. Bis 2030 sollen sogar nur noch Schiffe mit maximal 1.300 Passagieren erlaubt sein – eine radikale Kehrtwende in der Tourismuspolitik.
Der Aufschrei der Branche
Erwartungsgemäß reagiere die Kreuzfahrtindustrie empört auf diese Einschränkungen. Der Branchenverband Cruise Lines International Association spreche von "ungerechtfertigten Einschränkungen", die Millionen Menschen daran hinderten, die Welt zu entdecken. Doch diese Argumentation wirke angesichts der massiven Umweltbelastungen und der Überforderung lokaler Gemeinden zunehmend hohl.
Die Zahlen sprächen eine deutliche Sprache: 460.000 Kreuzfahrtpassagiere hätten vergangenes Jahr Cannes besucht – eine Belastung, die für eine Stadt dieser Größe kaum noch zu bewältigen sei. Selbst die seit 2019 geltende Umweltcharta, die bei Verstößen Landgänge untersage, habe offenbar nicht ausgereicht, um die negativen Auswirkungen des Massentourismus einzudämmen.
Ein europaweiter Trend
Die Entwicklung in Südfrankreich sei kein Einzelfall. Bereits vor Jahren habe Italien große Kreuzfahrtschiffe aus Venedig verbannt, nachdem die von den Ozeanriesen verursachten Wellen die Fundamente der Weltkulturerbe-Stadt beschädigt hätten. Überall in Europa würden Gemeinden erkennen, dass kurzfristige wirtschaftliche Gewinne die langfristigen Schäden nicht aufwiegen könnten.
Diese Entwicklung zeige deutlich: Der unkontrollierte Massentourismus stoße zunehmend an seine Grenzen. Während die Politik in Deutschland noch über Klimaneutralität bis 2045 debattiere und Milliardenschulden für fragwürdige Projekte anhäufe, handelten andere Länder bereits konkret. Die Beschränkungen in Cannes und Nizza seien ein klares Signal, dass Lebensqualität und Umweltschutz wieder höher gewichtet würden als die Profitgier internationaler Konzerne.
Es bleibt abzuwarten, ob dieser Trend auch deutsche Küstenstädte erreichen werde. Angesichts der aktuellen politischen Prioritäten der Großen Koalition, die lieber 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Infrastruktur schaffe, statt bestehende Probleme anzugehen, dürfte dies jedoch noch dauern. Während Frankreich handele, versinke Deutschland weiter in bürokratischen Debatten – ein Unterschied, der symptomatisch für die unterschiedlichen Herangehensweisen in Europa sei.
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