
Oberster Gerichtshof bremst Richter-Willkür aus – Trumps Staatsbürgerschaftsreform bleibt umkämpft
Ein wegweisendes Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA könnte die Machtbalance zwischen Exekutive und Judikative grundlegend verschieben. Die sechs konservativen Richter des Supreme Court haben am Freitag entschieden, dass Bundesrichter ihre Befugnisse überschritten hätten, als sie landesweite einstweilige Verfügungen gegen Regierungspolitik erließen. Diese sogenannten "universellen" Verfügungen seien mit dem amerikanischen Rechtssystem nicht vereinbar, urteilte Richterin Amy Coney Barrett in ihrer Mehrheitsmeinung.
Das Ende der richterlichen Allmacht?
Jahrelang konnten einzelne Bundesrichter mit einem Federstrich ganze Regierungsprogramme lahmlegen – ein Zustand, den Barrett als "imperiale" Justiz brandmarkte. Diese Praxis habe sich verselbstständigt und widerspreche fundamentalen Rechtsprinzipien. Richter könnten nur den konkreten Klägern vor ihnen Rechtsschutz gewähren, nicht aber pauschal für Millionen von Menschen entscheiden, die gar nicht am Verfahren beteiligt seien.
Die Entscheidung dürfte weitreichende Folgen haben. Nicht nur für Trump, sondern für alle künftigen Präsidenten wird es erheblich einfacher, ihre politische Agenda umzusetzen. Die Zeiten, in denen ein einzelner aktivistischer Richter in einem abgelegenen Bezirksgericht nationale Politik blockieren konnte, scheinen vorbei zu sein.
Trumps Staatsbürgerschaftsreform: Der Kampf geht weiter
Konkret ging es um Trumps Executive Order vom ersten Tag seiner zweiten Amtszeit, die das automatische Geburtsrecht einschränken sollte. Kinder, die in den USA geboren werden, sollten demnach nur noch dann die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten, wenn mindestens ein Elternteil US-Bürger oder dauerhaft aufenthaltsberechtigt ist. Drei Bundesrichter hatten diese Anordnung umgehend landesweit blockiert – genau die Art von Verfügung, die der Supreme Court nun für unzulässig erklärt hat.
Doch der Sieg für Trump könnte sich als Pyrrhussieg erweisen. Das Gericht ließ ausdrücklich Raum für alternative Rechtsmittel. Sammelklagen könnten denselben Effekt erzielen wie die nun verbotenen universellen Verfügungen. Bereits jetzt bereiten die Kläger entsprechende Anträge vor. "Ich erwarte nicht, dass die Anordnung des Präsidenten zum Geburtsrecht jemals in Kraft treten wird", prognostizierte Samuel Bray, Rechtsprofessor an der Notre Dame Law School.
Die verfassungsrechtliche Grundsatzfrage
Im Kern geht es um die Auslegung des 14. Verfassungszusatzes, der nach dem Bürgerkrieg verabschiedet wurde. Dieser garantiert allen in den USA geborenen Personen die Staatsbürgerschaft – eine Regelung, die ursprünglich dazu diente, ehemaligen Sklaven und ihren Nachkommen volle Bürgerrechte zu sichern. Trumps Versuch, diese über 150 Jahre alte Verfassungsgarantie per Dekret auszuhebeln, stößt auf erheblichen juristischen Widerstand.
Zweiundzwanzig Bundesstaaten, überwiegend unter demokratischer Führung, haben sich der Klage angeschlossen. Sie argumentieren, dass die administrativen und finanziellen Belastungen durch Trumps Anordnung einen landesweiten Stopp erforderlich machten. Der Supreme Court verwies diese Frage jedoch zurück an die unteren Gerichte – ein geschickter Schachzug, der die endgültige Entscheidung vertagt.
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Das Gericht gewährte eine Gnadenfrist von 30 Tagen, bevor Trumps Anordnung in Kraft treten könnte. Diese Zeit müssen die Gegner nutzen, um neue rechtliche Strategien zu entwickeln. Die Hürden für Sammelklagen sind höher als für einfache Verfügungen. Zudem ist unklar, ob Bundesstaaten überhaupt klageberechtigt sind – eine Frage, die der Supreme Court bewusst offenließ.
"Die Entscheidung soll in 30 Tagen in Kraft treten und lässt Familien im ganzen Land in tiefer Unsicherheit darüber, ob ihre Kinder als US-Bürger geboren werden", warnte Elora Mukherjee, Direktorin der Einwanderungsrechtsklinik der Columbia Law School.
Die Ironie der Geschichte: Während Trump einen wichtigen prozeduralen Sieg errungen hat, könnte seine substanzielle Niederlage bereits besiegelt sein. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen seine Staatsbürgerschaftsreform sind so gravierend, dass selbst konservative Rechtsexperten skeptisch bleiben. Das Geburtsrecht ist tief im amerikanischen Verfassungsverständnis verwurzelt – es per Dekret abzuschaffen, dürfte selbst für einen Präsidenten mit erweiterten Befugnissen unmöglich bleiben.
Was bleibt, ist ein Lehrstück über die Gewaltenteilung in einer funktionierenden Demokratie. Der Supreme Court hat die Spielregeln neu definiert, aber das Spiel ist noch lange nicht entschieden. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Trumps radikale Neuinterpretation des Staatsbürgerschaftsrechts Bestand haben kann oder ob sich die Verfassung einmal mehr als stärker erweist als der politische Wille eines einzelnen Mannes.
- Themen:
- #Wahlen