
Steinmeier verteidigt Völkerrecht gegen Merkels "Drecksarbeit"-Rhetorik
In einem bemerkenswerten Interview positionierte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Verteidiger des Völkerrechts – und setzte damit einen deutlichen Kontrapunkt zu den jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz. Was als diplomatische Mahnung daherkommt, offenbart bei genauerer Betrachtung die tiefe Zerrissenheit der deutschen Politik im Umgang mit dem eskalierenden Nahostkonflikt.
Die umstrittene "Drecksarbeit"-Debatte
Der Stein des Anstoßes: Merz hatte Israels Militärschläge gegen iranische Atomanlagen als "Drecksarbeit" bezeichnet, die das Land stellvertretend für den Westen verrichte. Eine Wortwahl, die nicht nur diplomatisch fragwürdig erscheint, sondern auch die Frage aufwirft, ob der Kanzler das Völkerrecht als lästige Nebensächlichkeit betrachtet. Noch brisanter: Seine Ankündigung, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Benjamin Netanjahu schlichtweg zu ignorieren.
Steinmeier, der im Deutschlandfunk-"Interview der Woche" Stellung bezog, wählte seine Worte mit bedacht. "Gerade wir sollten die Völkerrechtsordnung zum Teil unserer eigenen Identität erklären", mahnte er – eine kaum verhüllte Kritik an der Haltung des Kanzlers. Der Bundespräsident warnte eindringlich davor, dass Völkerrecht heute "mit leichter Hand sogar verächtlich gemacht" werde.
Deutschlands historische Verantwortung
Die Mahnung des Bundespräsidenten kommt nicht von ungefähr. Deutschland, das nach zwei Weltkriegen maßgeblich am Aufbau der internationalen Rechtsordnung beteiligt war, drohe nun seine eigenen Prinzipien über Bord zu werfen. Steinmeiers Verweis auf die deutsche Identität ist dabei mehr als symbolische Rhetorik – es ist eine Erinnerung daran, dass die Bundesrepublik ihre Legitimität und ihren Platz in der Weltgemeinschaft gerade durch die Anerkennung internationaler Rechtsnormen erlangt hat.
"Deshalb dürfen wir nicht ignorieren, wo Völkerrecht nicht nur missachtet wird, sondern wo heute mit leichter Hand Völkerrecht sogar verächtlich gemacht wird."
Die Iran-Frage: Zwischen Diplomatie und Eskalation
Besonders pikant: Steinmeier selbst war als ehemaliger Außenminister maßgeblich am Atomabkommen mit dem Iran beteiligt. Seine Einschätzung, der Iran sei "vom Griff nach der Atombombe vermutlich nie weiter entfernt" gewesen als nach dem Abschluss des Abkommens 2015, steht in krassem Gegensatz zur aktuellen Eskalationsspirale. Das von Donald Trump gekündigte Abkommen hätte funktionieren können – eine bittere Erkenntnis angesichts der heutigen Lage.
Während Merz offenbar bereit ist, völkerrechtliche Bedenken beiseitezuschieben und Israels Militäraktionen als notwendiges Übel zu rechtfertigen, plädiert Steinmeier für einen differenzierteren Ansatz. Seine Maxime bleibe zwar, dass der Iran keine Atomwaffen erhalten dürfe, doch der Weg dorthin führe über Diplomatie und Völkerrecht, nicht über dessen Missachtung.
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Die Debatte offenbart ein grundsätzliches Problem der deutschen Außenpolitik: Wie kann ein Land, das sich als Hüter des Völkerrechts versteht, gleichzeitig dessen Verletzung tolerieren oder gar gutheißen? Merz' Rhetorik von der "Drecksarbeit" suggeriert, dass manche Aktionen zwar schmutzig, aber notwendig seien – eine gefährliche Logik, die das Fundament der regelbasierten internationalen Ordnung untergräbt.
Steinmeiers diplomatische Lösung für den Fall eines möglichen Netanjahu-Besuchs – beide Seiten seien "klug genug", es nicht zu einer Entscheidung kommen zu lassen – wirkt wie ein Eiertanz. Er plädiert dafür, "das Völkerrecht nicht zu ignorieren, aber zu vermeiden, dass es in diesem Fall getestet wird". Eine Position, die zwar pragmatisch erscheint, aber letztlich die Frage aufwirft: Was nützt ein Rechtssystem, das man aus politischer Opportunität nicht anwendet?
Die Erosion deutscher Prinzipien
Die Kontroverse zwischen Steinmeier und Merz ist symptomatisch für eine tiefere Krise. Deutschland, einst stolz auf seine wertebasierte Außenpolitik, scheint zunehmend bereit, diese Werte der Realpolitik zu opfern. Die Große Koalition, die eigentlich Stabilität bringen sollte, offenbart in dieser fundamentalen Frage ihre inneren Widersprüche.
Während der Bundespräsident noch versucht, die Fahne des Völkerrechts hochzuhalten, signalisiert der Kanzler bereits dessen faktische Kapitulation. Eine Entwicklung, die nicht nur die deutsche Glaubwürdigkeit auf internationaler Bühne beschädigt, sondern auch zeigt, wie weit sich die politische Elite von den eigenen proklamierten Prinzipien entfernt hat. In einer Zeit, in der die internationale Ordnung ohnehin unter Druck steht, sendet Deutschland damit ein fatales Signal aus.
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