
Beyoncé erntet Shitstorm: Wenn Popstars Geschichte umschreiben wollen
Die selbsternannte Queen des Pop hat es wieder einmal geschafft, ins Fettnäpfchen zu treten. Diesmal allerdings mit einem T-Shirt, das mehr über den Zustand unserer Geschichtsverklärung aussagt als über Mode. Bei einem Konzert ihrer "Cowboy Carter"-Tour in Paris präsentierte Beyoncé stolz ein Shirt mit Bildern der Buffalo Soldiers – und einem Text, der Native Americans als "Feinde des Friedens" bezeichnet.
Geschichtsverdrehung als Fashion-Statement
Was auf dem Rücken des T-Shirts zu lesen war, lässt einem die Haare zu Berge stehen: Die indigene Bevölkerung Amerikas wurde dort allen Ernstes als "Antagonisten des Friedens, der Ordnung und der Besiedlung" bezeichnet – in einer Reihe mit "Banditen, Viehdieben und mörderischen Schützen". Man fragt sich unwillkürlich: Hat bei Beyoncés Team niemand ein Geschichtsbuch aufgeschlagen?
Die Buffalo Soldiers, afroamerikanische Armeeeinheiten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, spielten eine komplexe Rolle in der amerikanischen Geschichte. Ja, sie kämpften für ihre eigene Freiheit und Anerkennung. Aber sie waren auch Teil der brutalen Westexpansion, die zur systematischen Vertreibung und Ermordung der indigenen Bevölkerung führte.
Wenn Popkultur auf politische Korrektheit trifft
Die Reaktionen in den sozialen Medien ließen nicht lange auf sich warten. Indigene Influencer und Historiker kritisierten scharf, dass Beyoncé mit ihrer Darstellung anti-indigene Sprache fördere. Der Instagram-Account indigenous.tv mit über 130.000 Followern fragte provokant: "Glaubt ihr, Beyoncé wird sich entschuldigen?"
"Wir romantisieren die Western-Grenze", erklärte Cale Carter vom Buffalo Soldiers National Museum in Houston. Eine Aussage, die den Nagel auf den Kopf trifft.
Besonders pikant: Beyoncés "Cowboy Carter"-Album sollte eigentlich die Country-Musik für Schwarze Amerikaner zurückerobern. Stattdessen bedient sie sich nun genau jener problematischen Narrative, die den amerikanischen Westen als heroische Eroberung darstellen – auf Kosten der Ureinwohner.
Die unbequeme Wahrheit über amerikanische Helden
Die Historikerin Alaina E. Roberts von der University of Pittsburgh bringt es auf den Punkt: Die Buffalo Soldiers waren "buchstäblich nicht nur an der Besiedlung des Westens beteiligt, sondern in gewissem Sinne am Völkermord." Diese unbequeme Wahrheit passt natürlich nicht zur glitzernden Popstar-Welt, in der Geschichte zur Kulisse für spektakuläre Bühnenshows verkommt.
Was besonders verstört: Beyoncés PR-Team reagierte auf Anfragen mit Schweigen. Keine Stellungnahme, keine Entschuldigung, kein Versuch der Erklärung. Offenbar hofft man, dass der Sturm vorüberzieht, bevor die Sängerin an diesem Wochenende in ihrer Heimatstadt Houston auftritt.
Amerikanischer Nationalismus im Glitzergewand
Die TikTokerin Chisom Okorafor trifft den Kern des Problems: Es gebe keinen "progressiven" Weg, Amerikas imperialistische Geschichte im Westen zurückzuerobern. Beyoncés Verwendung westlicher Symbolik sende eine problematische Botschaft – nämlich dass auch Schwarze vom amerikanischen Imperialismus profitieren könnten.
Diese Kritik sitzt. Denn während in Deutschland endlos über Kolonialgeschichte diskutiert wird, scheint in den USA die Verklärung der eigenen Vergangenheit ungebrochen. Beyoncé, die sich gerne als progressive Ikone inszeniert, fällt hier auf erschreckende Weise hinter ihre eigenen Ansprüche zurück.
Ein Lehrstück über selektive Geschichtswahrnehmung
Der Vorfall zeigt exemplarisch, wie Geschichte instrumentalisiert wird, um moderne Narrative zu bedienen. Die Buffalo Soldiers werden zur reinen Projektionsfläche für Black Empowerment, während ihre Rolle bei der Unterdrückung anderer Minderheiten ausgeblendet wird. Es ist, als würde man die Wehrmacht feiern, weil dort auch Widerstandskämpfer dienten.
Michelle Tovar vom Buffalo Soldiers Museum beklagt, dass in Texas Schulbezirke die ehrliche Vermittlung dieser Geschichte blockieren. Ein Problem, das uns bekannt vorkommen dürfte – auch hierzulande wird Geschichte gerne geschönt, wenn sie nicht ins politische Weltbild passt.
Das eigentlich Erschreckende: Eine Künstlerin mit Beyoncés Reichweite und Einfluss hätte die Chance gehabt, ein differenziertes Geschichtsbild zu vermitteln. Stattdessen perpetuiert sie kolonialistische Narrative und verkauft sie als Empowerment. Ein Armutszeugnis für jemanden, der sich als kulturelle Vordenkerin inszeniert.
Vielleicht sollten Popstars bei dem bleiben, was sie können: unterhalten. Die Interpretation komplexer historischer Zusammenhänge überlässt man besser denen, die sich damit auskennen. Sonst endet man wie Beyoncé – mit einem PR-Desaster und der unbequemen Erkenntnis, dass auch Queens vom Thron stürzen können, wenn sie die Gefühle ganzer Völker mit Füßen treten.
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