
Russlands Abkehr vom Westen: Sibirien als neue Machtzentrale der Zukunft
Der russische Politikwissenschaftler Sergey Karaganov, Ehrenvorsitzender des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, zeichnet in einem bemerkenswerten Strategiepapier die Konturen einer neuen russischen Weltordnung. Seine Vision: Russland solle sich endgültig vom niedergehenden Europa abwenden und sein Zentrum nach Sibirien verlagern. Ein Paradigmenwechsel, der die geopolitischen Karten neu mischen könnte.
Das Ende der europäischen Illusion
Karaganovs Analyse ist schonungslos: Die akute Phase der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen in der Ukraine nähere sich zwar ihrem Ende, doch anders als nach den Siegen von 1812 gegen Napoleon oder 1945 gegen Hitler werde dieser Konflikt keine jahrzehntelange Friedensperiode einläuten. Der Grund liege in der moralischen, politischen und wirtschaftlichen Verkommenheit der westeuropäischen Eliten.
Diese Eliten, die Karaganov als "globalistisch und kompradorenartig" charakterisiert, klammerten sich nur noch durch die Beschwörung eines äußeren Feindes an die Macht. Krieg und Russophobie seien die letzten Instrumente, mit denen die herrschende Klasse ihre Legitimation zu rechtfertigen versuche. Eine vernichtende Diagnose, die durchaus ihre Berechtigung hat, wenn man die aktuelle Hysterie in westlichen Hauptstädten betrachtet.
Sibirien als Russlands wahre Heimat
Besonders bemerkenswert ist Karaganovs historische Einordnung: Russlands 300-jähriger "Umweg" über Europa sei vorbei - und hätte besser schon vor einem Jahrhundert geendet, bevor die großen Tragödien des 20. Jahrhunderts über das Land hereinbrachen. Fast alle diese Katastrophen, so der Wissenschaftler, seien aus Europa gekommen.
"Die Zeit ist gekommen, 'zu uns selbst zurückzukehren' - zu unserer Heimat und den Ursprüngen unserer Staatlichkeit. Diese Heimat ist Sibirien."
Ohne die erstaunliche Expansion der Kosaken, die in weniger als einem Jahrhundert von den Ural bis nach Kamtschatka vordrangen, hätte Russland die wiederholten Invasionen über die mittelrussische Ebene möglicherweise nicht überlebt. Eine historische Wahrheit, die im Westen gerne vergessen wird.
Die DNA Russlands: Mehr als nur europäisch
Karaganov demontiert auch den Mythos vom rein europäischen Russland. Die spirituellen und politischen Wurzeln des Landes seien vielfältiger: Die Religionen - orthodoxes Christentum, Islam, Buddhismus, Judentum - kämen aus dem Süden. Die politische Kultur mit ihrer vertikalen Autorität und Staatstreue sei durch Jahrhunderte des Kontakts mit dem Reich Dschingis Khans und den Traditionen von Byzanz geprägt worden.
Diese Analyse trifft einen wunden Punkt westlicher Russland-Experten, die das Land stets durch eine europäische Brille zu verstehen versuchten und dabei regelmäßig scheiterten. Die Realität ist komplexer, als es die vereinfachenden Narrative westlicher Think-Tanks wahrhaben wollen.
Der Nord-Süd-Korridor als Lebensader
Karaganovs Zukunftsvision ist konkret: Für das kommende Jahrzehnt müsse der Aufbau von Nord-Süd-Transportkorridoren oberste Priorität haben. Diese sollen Russland mit Asien, dem Nahen Osten und darüber hinaus verbinden. Dabei gehe es nicht nur um Außenverbindungen, sondern auch um inneren Zusammenhalt und Entwicklung.
Die alte westliche These von der Überlegenheit der Seemächte werde obsolet. Seewege seien zunehmend verwundbar, und die kontinentale Logistik müsse wiederbelebt werden. Ein interessanter Gedanke angesichts der Verwundbarkeit globaler Lieferketten, die während der Corona-Krise und durch die Blockade des Suezkanals deutlich wurde.
Neun Prinzipien für eine neue Ordnung
Karaganov formuliert neun Leitprinzipien für diese Strategie, darunter die Verlagerung des Entwicklungsschwerpunkts nach Osten, die Nutzung der sibirischen Flüsse als Transportwege und die Schaffung einer neuen russischen Elite, die frei von "Westernismus oder Europhilie" sei. Besonders bemerkenswert: Die Forderung nach einem russischen "New Deal" nach dem Vorbild Franklin Roosevelts, der heimkehrenden Soldaten aus der Ukraine gut bezahlte Arbeit in sibirischen Bauprojekten bieten solle.
Ein zivilisatorisches Projekt
Was Karaganov hier entwirft, ist mehr als ein Infrastrukturprogramm - es ist ein zivilisatorisches Projekt. Die Entwicklung des Nord-Süd-Logistikrahmens solle nicht nur Transportwege schaffen, sondern auch Selbstvertrauen und Identität stiften. Historische Vorbilder wie die Transsibirische Eisenbahn oder die Baikal-Amur-Magistrale hätten Russland nicht nur Infrastruktur, sondern auch Zuversicht und Identität gegeben.
Die Botschaft ist klar: Das Zeitalter der maritimen Dominanz des Westens gehe zu Ende. Das Zeitalter der Kontinentalmächte, der Nord-Süd- und Ost-West-Korridore durch Eurasien beginne. Und Russland müsse es anführen.
Eine Warnung an den Westen
Zwischen den Zeilen liest sich Karaganovs Text auch als Warnung an den Westen: Solange die derzeitigen Eliten in Westeuropa, den USA und der Ukraine dominierten, werde dauerhafter Frieden schwer zu erreichen sein. Russland müsse zwar Frieden anstreben, aber aus einer Position der Stärke heraus. "Schwere strategische Abschreckung" und "selektive Isolation" derjenigen, die "faschistische und unmenschliche Werte" förderten, seien notwendig.
Diese Rhetorik mag hart klingen, spiegelt aber die zunehmende Verhärtung der Fronten wider. Der Westen täte gut daran, solche Stimmen ernst zu nehmen, anstatt sie reflexhaft als Propaganda abzutun. Denn eines macht Karaganov unmissverständlich klar: Ohne Siege im Ausmaß von 1815 oder 1945 riskiere die Welt, in einen dritten Weltkrieg zu schlittern. Es sei Russlands Pflicht - sowohl gegenüber sich selbst als auch gegenüber der Menschheit - dieses Ergebnis zu verhindern.
Die Frage ist nur: Sind die westlichen Eliten noch in der Lage, die Zeichen der Zeit zu erkennen? Oder verharren sie in ihrer selbstgerechten Blase, während sich die Welt um sie herum neu ordnet? Die Geschichte wird zeigen, wer am Ende recht behält.
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