
Verfassungsrichterwahl: Wenn politisches Theater zur Normalität wird
Die Erleichterung beim Deutschen Richterbund über die gelungene Verfassungsrichterwahl im zweiten Anlauf offenbart die erschreckende Normalität politischer Dysfunktionalität in unserem Land. Was eigentlich ein würdevoller, der Bedeutung des höchsten deutschen Gerichts angemessener Prozess sein sollte, verkam zu einem unwürdigen Schauspiel parteipolitischer Ränkespiele.
Das Trauerspiel der deutschen Politik
Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, sprach von verlorenem Vertrauen - nicht nur innerhalb der Koalition, sondern vor allem in der Bevölkerung. Diese diplomatische Untertreibung verschleiert das wahre Ausmaß des Desasters: Ein Land, das sich nicht einmal auf die Besetzung seiner wichtigsten Richterpositionen einigen kann, demonstriert seine politische Handlungsunfähigkeit in aller Öffentlichkeit.
Die Wahl von Sigrid Emmenegger, Ann-Katrin Kaufhold und Günter Spinner mag formal gelungen sein, doch der Weg dorthin hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Dass die Union im Juli zunächst ihre Unterstützung für Frauke Brosius-Gersdorf zusagte und dann in letzter Minute zurückzog, zeigt das Ausmaß der politischen Unzuverlässigkeit.
Die üblichen Schuldzuweisungen
Besonders aufschlussreich sind die reflexartigen Schuldzuweisungen der Linken-Fraktionsvorsitzenden Heidi Reichinnek. Sie wirft der Union vor, die Wahl "zum Spielball von Rechtsextremen" gemacht zu haben - eine Rhetorik, die exemplarisch für den Zustand unserer politischen Debattenkultur steht. Sobald etwas nicht nach Plan läuft, wird sofort die Rechtsextremismus-Keule geschwungen.
"Dass es überhaupt zu diesem Schmierentheater gekommen ist, liegt allein an der Union", behauptet Reichinnek und offenbart damit die typische Schwarz-Weiß-Malerei linker Politik.
Stephan Brandner von der AfD kritisierte hingegen konkret die Wahl von Ann-Katrin Kaufhold und sprach von einer Beschädigung des Rechtsstaats. Unabhängig davon, wie man zu seiner Einschätzung steht, wirft sie doch die berechtigte Frage auf: Nach welchen Kriterien werden eigentlich Verfassungsrichter ausgewählt? Fachliche Kompetenz oder politische Gefälligkeit?
Ein Symptom größerer Probleme
Diese Posse um die Verfassungsrichterwahl ist nur ein weiteres Symptom der strukturellen Probleme unserer politischen Landschaft. Während die Große Koalition unter Friedrich Merz mit ihrem vollmundigen "Verantwortung für Deutschland"-Programm hausieren geht, zeigt sich in der Praxis: Die politische Elite ist nicht einmal in der Lage, grundlegende Personalentscheidungen ohne Drama zu treffen.
Die neue Bundesregierung plant ein 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Infrastruktur - trotz Merz' Versprechen, keine neuen Schulden zu machen. Diese finanzielle Belastung künftiger Generationen wird durch Steuern und Abgaben finanziert werden müssen, während gleichzeitig die Inflation weiter steigt. In diesem Kontext erscheint die Unfähigkeit, Verfassungsrichter ordentlich zu wählen, als Vorbote weiterer politischer Fehlentscheidungen.
Was bedeutet das für die Bürger?
Für den deutschen Bürger bedeutet dieses Theater vor allem eines: Das Vertrauen in die Institutionen schwindet weiter. Wenn selbst die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts - jener Institution, die eigentlich über den Parteien stehen sollte - zum politischen Gezerre verkommt, was können wir dann noch von unseren gewählten Vertretern erwarten?
Die Tatsache, dass CDU und CSU letztendlich doch für Kaufhold stimmten, obwohl AfD-Vertreter dies kritisierten, zeigt: Der "Koalitionsfrieden" steht über Prinzipien. Diese Art von Politik, die sich mehr an Machtkalkül als an Überzeugungen orientiert, ist es, die das Vertrauen der Bürger nachhaltig zerstört.
In Zeiten, in denen Deutschland mit steigender Kriminalität, wirtschaftlichen Herausforderungen und gesellschaftlicher Spaltung kämpft, wäre eine funktionierende, prinzipientreue Politik wichtiger denn je. Stattdessen bekommen wir politisches Kasperletheater geboten, das die wahren Probleme des Landes überdeckt. Es ist höchste Zeit für Politiker, die wieder für Deutschland und nicht für ihre Parteiinteressen regieren.