
Karenztage als Sparmaßnahme? AOK-Chefin warnt vor fatalen Folgen für ehrliche Arbeitnehmer
Die Diskussion um die Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen nimmt wieder Fahrt auf. Während Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) mit Einsparungen von zwei Milliarden Euro liebäugelt, warnt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, eindringlich vor populistischen Schnellschüssen. Besonders die Debatte um vier Karenztage statt der bisherigen drei zeigt, wie realitätsfern manche Sparvorschläge sind.
Die Krux mit den Karenztagen: Bestrafung der Falschen
„Würden die hart treffen, die sich schon jetzt zur Arbeit schleppen", bringt es Teichert auf den Punkt. Während die Idee vordergründig darauf abzielt, notorische Blaumacher zu erwischen, die sich gerne mal freitags oder montags krankmelden, würde sie in Wahrheit jene bestrafen, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen, weil sie sich keinen Verdienstausfall leisten können. Ein klassisches Beispiel dafür, wie gut gemeinte Sparmaßnahmen die soziale Schieflage in Deutschland weiter verschärfen würden.
Die AOK-Chefin plädiert stattdessen für einen Kulturwandel: Weg von der Misstrauenskultur, hin zu mehr Transparenz. Doch genau hier offenbart sich das eigentliche Problem des deutschen Gesundheitssystems – es wird an den falschen Stellen gespart, während die wahren Kostentreiber unbehelligt bleiben.
Milliardengrab Krankenhaus: Wo das Geld wirklich versickert
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 35 Prozent der AOK-Nordost-Ausgaben fließen in Krankenhausbehandlungen – satte 3,1 Milliarden Euro. Teichert schätzt, dass davon 20 Prozent für Leistungen ausgegeben werden, die auch ambulant erbracht werden könnten. Das wären über 600 Millionen Euro Einsparpotenzial – allein bei einer einzigen Krankenkasse!
Doch warum passiert nichts? Die Antwort ist so simpel wie erschreckend: Es fehlen die Strukturen. Statt eine vernünftige ambulant-stationäre Bedarfsplanung zu etablieren, schickt man Patienten lieber ins teure Krankenhaus. Ein Armutszeugnis für die deutsche Gesundheitspolitik, die seit Jahren an den eigentlichen Problemen vorbei reformiert.
Die elektronische Patientenakte als Hoffnungsschimmer?
Interessant ist Teicherts Hinweis auf die elektronische Patientenakte (ePA). Erste Erfahrungen zeigen bereits, dass Patienten vermehrt Ungereimtheiten entdecken – abgerechnete Leistungen, die nie erbracht wurden. Diese Art von Transparenz könnte tatsächlich ein Gamechanger sein, wenn sie denn konsequent umgesetzt würde. Doch auch hier zeigt sich wieder das typische deutsche Problem: Während andere Länder längst digitale Lösungen etabliert haben, diskutieren wir noch über Datenschutzbedenken.
Der eigentliche Skandal: Versicherte zahlen für staatliche Aufgaben
Während über Karenztage und Praxisgebühren debattiert wird, spricht Teichert den eigentlichen Skandal an: Die gesetzlichen Krankenkassen müssten auf einen Schlag 2,5 Milliarden Euro mehr erhalten, wenn Bürgergeld-Empfänger vom Staat vollständig finanziert würden. Weitere vier Milliarden Euro kommen für andere versicherungsfremde Leistungen hinzu.
Das bedeutet im Klartext: Die arbeitende Bevölkerung subventioniert über ihre Krankenkassenbeiträge staatliche Aufgaben. Ein System, das nicht nur ungerecht ist, sondern auch die Beitragszahler immer stärker belastet. Kein Wunder, dass die Krankenkassen nun eine Milliardenklage gegen den Bund einreichen.
Fazit: Strukturreformen statt Symbolpolitik
Die Debatte um Karenztage und Praxisgebühren lenkt von den wahren Problemen ab. Statt „homöopathische Dosen", wie Teichert es treffend formuliert, braucht das deutsche Gesundheitssystem grundlegende strukturelle Veränderungen. Dazu gehört eine ehrliche Finanzierung staatlicher Aufgaben, eine vernünftige Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung sowie der Mut, überholte Strukturen aufzubrechen.
Solange die Politik jedoch lieber an Symptomen herumdoktert statt die Ursachen anzugehen, werden die Beitragszahler weiter zur Kasse gebeten. Und während über vier Karenztage diskutiert wird, versickern Milliarden in einem ineffizienten System. Ein Trauerspiel, das sich die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt eigentlich nicht leisten kann – es aber trotzdem tut.

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