
Spaniens Sozialisten im Korruptionssumpf: Wie lange kann sich Sánchez noch halten?
Die spanische Politik versinkt erneut im Morast der Korruption – und diesmal trifft es die regierenden Sozialisten mit voller Wucht. Was sich derzeit in Madrid abspielt, könnte man als Lehrstück politischer Heuchelei bezeichnen: Ministerpräsident Pedro Sánchez, der einst die konservative Vorgängerregierung wegen Korruption stürzte, sieht sich nun selbst mit einem Skandal konfrontiert, der seine Regierung ins Wanken bringt.
Das Theater der Empörung
Im spanischen Parlament herrscht Chaos. "Dimisión" – Rücktritt – schallt es aus den Reihen der Opposition. Die Abgeordneten brüllen sich gegenseitig an wie auf einem Marktplatz, während die Sitzungsleiterin verzweifelt versucht, Ordnung in den Saal zu bringen. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo bezeichnet Sánchez als "Wolf des Rudels der Korrupten" – eine Metapher, die durchaus treffend erscheint, wenn man die jüngsten Enthüllungen betrachtet.
Sánchez kontert mit dem üblichen Ablenkungsmanöver: Die konservative Partido Popular sei eine "Enzyklopädie der Korruption". Ein klassisches Beispiel für Whataboutism, das zeigt, wie tief die spanische Politik im Sumpf der gegenseitigen Schuldzuweisungen versunken ist.
Der Fall Santos Cerdán: Ein System der Bereicherung
Im Zentrum des Skandals steht Santos Cerdán, die Nummer drei der sozialistischen PSOE und enger Vertrauter von Sánchez. Die auf Korruptionsdelikte spezialisierte Polizeieinheit UCO hat auf fast 500 Seiten detailliert aufgelistet, wie Cerdán mutmaßlich Schmiergelder für Bauaufträge "verwaltete". Es geht um Hunderttausende Euro – Geld, das letztendlich aus den Taschen der spanischen Steuerzahler stammt.
Die Ermittler sehen Hinweise auf eine kriminelle Organisation, belegt durch aufgezeichnete Gespräche zwischen Cerdán, dem ehemaligen Verkehrsminister José Luis Ábalos und dessen Berater Koldo García. Ein Netzwerk der Bereicherung, das sich offenbar über Jahre hinweg etabliert hatte.
Sánchez' gespielte Ahnungslosigkeit
Besonders pikant ist die Rolle des Ministerpräsidenten selbst. Sánchez gibt sich ahnungslos, bat das Volk mit achtfachem "perdón" und Grabesmiene um Verzeihung. Doch wer soll ihm das abnehmen? Cerdán war maßgeblich daran beteiligt, dass Sánchez vor acht Jahren die Parteiführung übernahm. Die Vorstellung, der Regierungschef habe von den Machenschaften seines engsten Vertrauten nichts gewusst, erscheint bestenfalls naiv.
Selbst die eher regierungsfreundliche Zeitung El País konstatiert: "Sánchez hat seinen Kredit aufgebraucht". In der harmlosesten Interpretation wäre er ein miserabler Personalmanager – alle anderen Szenarien würden ein gewisses Maß an Wissen oder Duldung voraussetzen.
Ein strukturelles Problem der spanischen Politik
Der Politikwissenschaftler Victor Lapuente Gine von der Universität Göteborg bringt es auf den Punkt: In der spanischen Verwaltung hänge die Karriere häufig von einer politischen Partei ab. Trotz zahlreicher Institutionen zur Korruptionsbekämpfung seien diese "eindeutig ineffizient". Ein vernichtendes Urteil über ein System, das Vetternwirtschaft und Selbstbereicherung begünstigt.
Die Ironie der Geschichte: Vor genau sieben Jahren stürzte Sánchez die konservative Regierung per Misstrauensvotum – wegen Korruption. Damals kassierten hohe PP-Funktionäre lange Haftstrafen. Heute steht seine eigene Partei im Zentrum eines ähnlichen Skandals. Der Eindruck, die gesamte spanische Politik sei korrupt, verfestigt sich bei den Bürgern zunehmend.
Wackelige Mehrheiten und unsichere Zukunft
Sánchez' ohnehin fragile Parlamentsmehrheit bröckelt. Sein Koalitionspartner, das linke Parteienbündnis "Sumar", pocht darauf, die "saubere Linke" zu sein. Einzelne Abgeordnete erwägen den Ausstieg. Für ein mögliches Misstrauensvotum bräuchte Sánchez zusätzlich die Unterstützung der Fraktionen, die ihn zum Regierungschef wählten – darunter die Partei des katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont, die für ihre Zustimmung traditionell einen hohen Preis verlangt.
Oppositionsführer Feijóo wittert seine Chance, benötigt aber ebenfalls diese Stimmen. Den kleineren Fraktionen ruft er zu, sie müssten sich entscheiden, ob sie "das Korruptionskomplott fortsetzen" wollten. Vier Stimmen fehlen ihm für ein erfolgreiches Misstrauensvotum – noch.
Die spanische Demokratie in der Krise
Was sich in Spanien abspielt, ist mehr als nur ein weiterer Korruptionsskandal. Es ist ein Symptom für den Verfall demokratischer Standards und politischer Integrität. Während sich die Politiker gegenseitig Korruption vorwerfen, verlieren die Bürger zunehmend das Vertrauen in ihre Institutionen.
Politikwissenschaftler Lapuente meint trocken: "Mit Sánchez ist alles möglich". Er sehe aber derzeit praktisch keine Möglichkeit, dass der Ministerpräsident bei etwaigen Wahlen ein positives Ergebnis erzielen würde. Die reguläre Legislaturperiode dauert noch zwei Jahre – zwei Jahre, die von einer Korruptions-Schlammschlacht geprägt sein dürften.
Sánchez war schon mehrmals politisch abgeschrieben und kämpfte sich zurück. Doch diesmal könnte es anders sein. Die Beweise sind erdrückend, die öffentliche Empörung groß. Die Frage ist nicht mehr, ob die spanische Regierung korrupt ist, sondern nur noch, wie tief der Sumpf reicht – und ob Sánchez darin versinken wird.
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